Der Skater kommt auf dem Fahrrad zum Dietenbacher Skatepark. Schon von Weitem winkt Matthias Wattinger. Er trägt Shorts und Sonnenbrille, herzlich und redselig geht er auf Menschen zu, mit Eifer beginnt er das Gespräch. Locker und ungekünstelt. Wie mit alten Freunden.

Wattinger ist 34 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Um die kümmert er sich in Vollzeit. „Der Wecker klingelt eigentlich nie, ich werde von meinen Kids geweckt“, erzählt der Vater. Sobald diese im Kindergarten sind, wird ein bisschen geskatet, dann werden die restlichen Pflichten übernommen. Skaten ist aus seinem Alltag nicht wegzudenken: „Es bestimmt mein Leben.“ Auf dem Brett könne er Dampf ablassen. „Wenn ich lange nicht skate, merke ich schon, wie ich angry durch die Gegend steuere“, fügt er hinzu.

Schon in die Schule fuhr der gebürtige Schweizer auf dem Board. Nach einer kaufmännischen Lehre zog Wattinger ins schweizerische Laax. „Ich hatte keinen Bock auf Bürojob, also zog ich in die Berge“. Dort baute und formte er als „Park Shaper“ Rampen aus Schnee. „Beim Skaten und Snowboarden ist man frei“, schwärmt Wattinger. Aber es gab auch andere Stimmen – seine Eltern pochten auf die nächste Ausbildung. Wattinger ließ sich jedoch nicht von seinem Weg abbringen. Skaten sei mehr als nur Sport, es sei ein Lifestyle.

2018 zogen Wattinger und seine Frau Barbara nach Freiburg. Sein Resümee zur Freiburger Skate-Szene: „Alle sagen sich hier Hallo. Es ist mega familiär und offen.“ Anders als auf dem Spielplatz fand er im Skatepark der neuen Stadt sofort Anschluss: „Du lernst schnell Leute kennen, connectest. Das hat mir sehr geholfen“.

Kein Jahr nach dem Umzug hatte Wattinger schon das erste Projekt am Laufen: Die baufällige Landwasser-Halfpipe. Als klar wird, dass die Rampe abgerissen werden soll, wird Wattinger aktiv. „Scheiße, ich bin Hausmann, eigentlich hab‘ ich Zeit“, dachte er und betont: „Ich wollte was für die Szene machen.“ Nach einem Spendenaufruf sowie vier Wochen Sanierungs- und Aufbauarbeiten erstrahlt die Rampe im Herbst 2021 im neuen Glanz. Heute ist sie wieder ein echter Treffpunkt.

Es bleibt nicht die letzte Unternehmung. Unter Wattingers Aufsicht soll diesen Winter ein Snowpark in Muggenbrunn entstehen. „Es macht Spaß, sich selbst zu verwirklichen“, sagt er. Auch während der Pandemie stand Wattinger nicht still. Im Lockdown war der Dietenbach-Skatepark gesperrt, aber der Skater wollte aufs Brett. Und Not macht erfinderisch. Ein paar Video-Tutorials später, schon „goss“ sich der Skater neue Rampen aus Beton und Holz in den Garten.

Video: Do it yourself Skatepark in Gottenheim

Wattingers aktuelles Projekt ist ein Skate-Park unter der „Netto-Brücke“ in Gottenheim. Den Wunsch, den Platz aufzuwerten, gab es in der 2800-Seelen-Gemeinde schon länger. In Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister der Gemeinde, Christian Riesterer, soll nun ein DIY-Park von und für Jugendliche entstehen. Seit 2020 arbeiten der Skater und der Bürgermeister an der Verwirklichung des Parks. Baubeginn für das DIY-Projekt ist für den Herbst geplant.

„Es braucht Bürger wie Wattinger. Er connectet mit den Kids“, sagt Riesterer über den Skater. Wattinger schaffe es, die Jugendlichen einzubinden. Geld bekomme Wattinger dafür nicht. Trotzdem profitiert er von dem Projekt: „Endlich ein Spot, an dem auch bei Regen geskatet werden kann.“ So ein Freiraum fehle in Freiburg.

Video: Freiräume sind ein wichtiger Raum für die Kreativität einer Stadt

Matthias Möller, Kulturwissenschaftler an der Universität Freiburg, wirft für uniCROSS einen Blick auf Freiräume und Stadtraumforschung. Der Experte fordert: Solche Räume sollen ohne bestimmte Funktion und wandelbar bleiben.

Auch andere schätzen Wattingers Tatendrang. „Er wartet nicht darauf, dass es jemand für ihn tut, er macht es selbst“, sagt der Freiburger Skater Gabriel „Garbo“ Bechler. Er scheue sich nicht, Ideen auch in die Tat umzusetzen.

Gibt es an Wattingers Hobby auch Kritik? „Als Erwachsener wird man oft nicht ernst genommen, weil man mit seinem ‚Spielzeug‘ rumspielt“, sagt der Skater. Er kann nicht nachvollziehen, dass Menschen wegen ihres Hobbys diskriminiert werden. Sein Credo: „Schlussendlich soll jeder machen, worauf man Bock hat. Alles andere ist egal.“

Eine Gemeinschaftsproduktion von Michelle Schmidt, Lucas Donnet, Eris Hoxha, Titus Sierra im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft. Seminarleitung, Redaktion: Ada Rhode, Karsten Kurowski, Philip Thomas.