Was motiviert Menschen dazu, jedes Wochenende die Taschen und Ausweise der Freiburger*innen zu kontrollieren? Wie lösen sie Konfliktsituationen? Und haben sie manchmal auch Angst?

„Man muss auch ab und zu mal laut werden“

Harte Schale, weicher Kern: Andy Fischer ist Türsteher und Head of Security einer Freiburger Sicherheitsfirma. Er entscheidet, wer in den Club kommt und wer nicht. uniCROSS hat ihn einen Abend vor der Clubtür begleitet.

„Ich habe immer Plateauschuhe angezogen“

Breit, tätowiert, unfreundlich – nicht jeder, der die Clubtür bewacht, muss diesem Bild entsprechen. Die 25-jährige Studentin Loye ist seit einem halben Jahr Türsteherin im Freiburger Nachtclub ArTik. Auf was sie bei Gästen achtet, wie sie mit Konflikten umgeht, und warum es mehr weibliche Türsteherinnen geben sollte, hat sie uns erzählt.

Loye, du arbeitest jetzt schon ein halbes Jahr als Türsteherin im ArTik. Was gefällt dir am meisten an diesem Job?

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Türsteherin Loye vor dem Eingang zum ArTik

Das Team. Mit den Leuten, mit denen ich zusammenarbeite, ist es immer sehr spaßig, auch mit den Leuten an Einlass und Kasse. Und es ist auch mal ganz schön, den Feierabend von der anderen Seite mitzubekommen. Sonst bin ich immer selber am Tanzen und am Party machen. Mal den Blick von außen zu haben, was alles hinter einer Party steckt, auch wie das ist an der Tür, sich zu entscheiden, welches Publikum reingelassen wird und so – das ist schon sehr spannend.

Wie fühlt es sich an, die Macht darüber zu haben, wer reinkommt und wer nicht reinkommt?

Am Anfang fand ich den Gedanken schon witzig, dass wenn ich entscheide, „du kommst nicht rein“, dass das dann auch wirklich passiert. Im Endeffekt ist es bei mir aber noch gar nicht vorgekommen, dass ich jemanden nicht reingelassen habe, weil das natürlich auch einen Grund haben muss. Aber ja, es ist für mich gar nicht so ein krasses Gefühl, wie man denkt.

Was müsste denn passieren, damit jemand abgewiesen werden würde?

Wir achten natürlich auf den Zustand der Menschen. Wenn zum Beispiel jemand stark alkoholisiert ist oder andere Sachen genommen hat, dann achte ich schon darauf, dass die Person eher nach Hause geht und sich ausruht. Oder wenn irgendwelche Zeichen am Körper erkennbar sind, die zeigen, dass man andere Menschen diskriminiert, dann lassen wir die Person natürlich auch nicht rein.

In der Cohi-Bar wird extra drauf geschaut, wie das Verhältnis zwischen Männer- und Frauenanteil unter den Gästen ist. Ist das bei euch auch so?

Ich achte nicht wirklich darauf, dass es ausgeglichen ist. Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass jeder Mensch, der hier feiern gehen möchte, auch rein darf, wenn er oder sie sich korrekt verhält. Es gibt Menschen, die manchmal schon ein bisschen grenzüberschreitend reinstolpern und uns nicht ganz zuhören. Aber auch da ist es eher unser Weg, vorher klarzumachen, „hey, hör uns zu und bitte benimm dich“, und dann wird die Person trotzdem reingelassen. Ich habe es wirklich selten erlebt, dass wir jemanden nicht reingelassen haben.

Hast du schon mal komische Reaktionen von Leuten erlebt, die sehen, dass du eine Frau bist?

Tatsächlich gar nicht. Am Anfang war meine Sorge, dass ich als Frau, die auch noch etwas schmaler und kleiner ist, nicht so ernst genommen werde. Vielleicht war mal der eine oder andere komische Blick da, aber sonst habe ich keine negativen Erfahrungen gemacht.

Hast du andere Erfahrungen gemacht, die deine männlichen Kollegen vielleicht nicht gemacht haben?

Die einzige Erfahrung, die meine männlichen Kollegen vielleicht nicht hatten, ist das, was es selber mit mir macht. Es gab zum Beispiel einen Vorfall, wo ein Mann übergriffig war. Und dadurch, dass ich als Frau selber viele Übergriffe erfahren habe, war es schwierig für mich, damit umzugehen und mich davon abzugrenzen. Ich glaube, das haben dann meine Kollegen besser hingekriegt, als ich es hätte können. Aber es gab auch mal einen Fall, wo ich mehr ins Gespräch gehen musste, um die Situation zu beruhigen und eine gemeinsame Lösung zu finden. Und in dem Moment habe ich mich wiederum als richtige Person gefühlt.

Ziehst du etwas Spezielles an, wenn du Schicht hast?

Nicht bewusst. Ich trage immer schwarz, und jetzt im Winter war ich immer sehr dick angezogen. Auf jeden Fall aber nicht so das typische Türsteher-Outfit, mit Klamotten, die breit oder gefährlich wirken. Aber ich habe immer Plateauschuhe angezogen, damit ich größer bin.

Verhältst du dich in deiner Rolle als Türsteherin anders?

Ich lege auf jeden Fall Wert darauf, dass ich freundlich bin, aber nicht zu freundlich, damit man mich trotzdem irgendwie ernst nimmt. Ich versuche sachlich zu bleiben und nicht zu viele Späße zu machen, und dazu neigt man manchmal, weil die Leute, die herkommen, auch cool sind. Außerdem habe ich für mich die Strategie entwickelt, dass ich die Menschen nicht direkt anschaue, um mich vor Reizüberflutung zu schützen. Also, dass ich immer leicht daneben schaue, weil es an einem Abend einfach zu viel ist, wenn man 300 Leute anspricht und fragt, ob man die Taschen durchsuchen darf.

Bist du bei der Arbeit schon mal in Situationen gekommen, wo du auch in deiner Rolle als Beschützerin selber Angst hattest oder dich unsicher gefühlt hast?

Angst auf jeden Fall nicht. Aber Unsicherheit war schon mal dabei. Da hatten wir einen Fall mit einem übergriffigen Menschen, der sehr stark alkoholisiert war. Ich bin mit einem Kollegen zusammen hingegangen. Ich war froh, dass er da war, weil der Mensch war größer als ich. Er war sehr stark alkoholisiert, konnte nicht ganz laufen. Da habe ich mich sehr unsicher gefühlt und war sehr überfordert. Aber dann war mein Team direkt da und hat es für mich übernommen.

Wie gehst du an der Tür mit Konflikten um?

Ich erinnere mich an eine Situation, wo eine Frau sich mit einem Mann unwohl gefühlt hat. Ich bin zu dem Mann gegangen, der war natürlich betrunken und hat alles von sich gewiesen. Meine Herangehensweise war dann schon, ihm das Gefühl zu geben, dass er nicht direkt rausgeworfen wird, sondern ihm zu sagen, „hey, schilder mir bitte deine Sichtweise“, also sehr, sehr sachlich und unparteiisch da ranzugehen. Denn Rauswurf ist eigentlich die letzte Wahl. Trotzdem ist es natürlich meine Aufgabe, das Gefühl der betroffenen Person zu unterstützen. Ich versuche es aber eher mit Ruhe anzugehen, damit sich die Situation generell beruhigen kann.

Würdest du überall als Türsteherin arbeiten oder kommt das ganz auf die Einrichtung an?

Nein, würde ich nicht. Ich bin sehr froh, dass ich hier im ArTik bin, weil es ein bisschen außerhalb ist, und ich das Gefühl habe, es ist schon gewollt, wenn man hier herkommt. In einem Club in der Stadt würde ich es ungern machen, weil ich mich auch persönlich dort nicht so sicher fühle, wie ich mich hier als Besucherin fühle.

Findest du, dass es mehr weibliche Türsteherinnen geben sollte?

Auf jeden Fall. Ich persönlich finde es schön zu sehen, wenn eine weibliche Person oder eine FLINTA*-Person an der Tür steht, weil es eben nur dieses Stereotyp gibt von dem großen breiten Mann, der böse dreinschaut, und ich auch mit solchen Menschen nicht so gute Erfahrungen gemacht habe. Ich freue mich einfach, wenn da Personen stehen, die vielleicht auch ein bisschen empathischer sind und nicht immer diesen großen breiten Türsteher-Macker raushängen lassen müssen.

Können Türsteher*innen die Arbeitskultur verändern? – Ein Gespräch mit einer Expertin

Die Soziologin Dr. Christine Preiser promovierte 2018 in Freiburg zum Thema Türsteher*innen. Im Gespräch mit uniCROSS erzählt sie von ihrer Forschung, räumt mit Vorurteilen auf und erklärt, warum Glaubwürdigkeit wichtiger ist als körperliche Überlegenheit.

Manche Türsteher bestätigen das Klischee: groß, breit, gefährlich. Hinter der Fassade stecken Menschen, die sich darum kümmern, dass wir eine sichere Nacht im Club verbringen können. Ob Mann oder Frau, das spielt vielleicht gar keine so große Rolle. Auf die Glaubwürdigkeit kommt es an, sagt die Expertin. Und womöglich fällt es Frauen sogar leichter, sich gegenüber weiblichen Türsteherinnen zu öffnen – gerade, wenn es um Übergriffe von Männern geht. Ein sorgenloses Nachtleben in Freiburg können vor allem diverse, gut eingespielte Teams ermöglichen.